Ich werde von Crusher geweckt, der bereits um 5 Uhr seine Sachen zusammen packt. Wir verabschieden uns noch voneinander und dann ist er auch schon weg. Ich lasse mir Zeit und während ich frühstücke geht gerade die Sonne auf.
Was für ein Anblick…
Als ich anfange das Zelt abzubauen kommt ein anderer Wanderer vorbei. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir von einer Sturmwarnung für den heutigen Tag. Bereits am Mittag soll es losgehen und den ganzen restlichen Tag regnen und stürmen. Das sind ja “tolle” Nachrichten. Da ich keine Lust habe in den Sturm zu kommen laufe ich schnell, ohne Pause, die 22km den Berg erst hoch und dann wieder hinunter. Mein Plan geht leider nicht auf und schon am Vormittag ziehen die ersten Nebelschwaden auf. Zunächst sind es nur wenige, doch der Nebel verdichtet sich schnell und es fängt an zu regnen.
Der Weg ist fast nicht mehr zu sehen und es stürmt heftig. Außer mir ist kein anderer Wanderer unterwegs und auf einmal habe ich den Weg verloren und tapse im Nebel umher. Ich muss ein ganzes Stück zurück laufen und bin erleichtert, als ich wieder auf dem Weg bin. Noch erleichterter bin ich, als ich auf den Highway treffe, von dem ich nach Wrightwood trampen kann. Jedoch möchte ich nicht alleine trampen und es ist kein anderer Wanderer in Sicht. Ich überlege gerade was ich machen soll, als plötzlich ein Auto mit vielen Wanderern vorbeikommt und auch mich mitnimmt. Die Fahrt ist ein wenig abenteuerlich, in dem kleinen Wagen. Doch wir kommen gut in Wrightwood an und ich treffe Teresa wieder. Nach einer Kleinigkeit zu Essen geht es mir dann auch direkt viel besser. Viele haben das letzte Stück übersprungen und ich kann das gut nachvollziehen. Denn die letzten zwei Tage waren zwar wunderschön aber auch echt hart. Ich fühle mich müde, dreckig und ausgelaugt. Im Hotel wird dann erstmal eine Stunde geduscht und ich versuche den ganzen Dreck abzuwaschen. Nach einer Woche wandern bin ich wirklich unglaublich dreckig. Danach liegen wir im Bett rum, schauen Fernsehen und essen Nudeln. Draußen hat es angefangen zu regnen/schneien und eben hat es sogar gehagelt. Ich bin echt froh im Hotel zu sein und freue mich auf den Tag Pause, den wir hier morgen einlegen.
Tag 32:
Wir machen eine Zero Day (einen Tag Pause) in Wrightwood. Eigentlich wollte ich den Tag nutzen, um mal richtig auszuschlafen. Doch um 5 Uhr werde ich schon von meinem knurrenden Magen geweckt. Also laufe ich erstmal zum Bäcker und besorge uns Frühstück. Bei der großen Auswahl fällt mir die Entscheidung echt schwer. Für mich gibt es einen Bagel mit Frischkäse, einen Schokoladen Donut und einen Walnuss Bananen Muffin. Draußen ist es verdammt kalt und ich verlasse das warme Bett den restlichen Morgen nicht mehr. Ich telefoniere mit Freunden und Familie, wasche meine Kleidung und schreibe Blog. Gegen Mittag gehen wir dann einkaufen. Schuhe gibt es hier leider keine, weshalb ich mir online welche in die nächste Stadt bestelle.
Ja, in dem weißen Sack ist nur mein Essen drin und ich fühle mich damit, als wäre ich der Weihnachtsmann :D. Für 5 Tage kommt schon so einiges zusammen. Auf dem Bild könnt ihr auch sehen was es bei mir in den nächsten Tagen zu essen gibt. Ich variiere andauernd meinen Essensplan, weil sich mein Geschmack ständig verändert. Meistens habe ich genau auf das Hunger, was ich natürlich nicht dabei habe 😉
Den restlichen Tag verbringe ich im Bett und wir planen die nächsten Etappen. Teresa wird auch das nächste Stück überspringen und so bin ich ab jetzt alleine unterwegs. Ich werde jedoch den anstehenden Gipfel auslassen und eine Alternativroute laufen, da oben in den Bergen noch der Schneesturm tobt und der Ranger vor dem Aufstieg gewarnt hat. Da ich nichts riskieren möchte laufe ich lieber den längeren Umweg zusammen mit einem anderen Wanderer.
Tag 33:
Ich bin heute die meiste Zeit zusammen mit Koen unterwegs. Er wandert noch bis zur nächsten Stadt (Aguadulce) mit mir und beendet dann dort frühzeitig seine Wanderung, um nach Hause zurück zu fliegen. In den letzten Tagen haben nochmal viele Wanderer abgebrochen oder haben Abschnitte übersprungen. Auf jeden Fall wandern wir gemeinsam die Alternativroute, um den Gipfel vom Baden Powell zu umgehen. Der Weg ist zwar nicht ganz so gut ausgebaut wie der PCT, dafür dennoch sehr schön und besonders ist hier nichts los. Wir sind den ganzen Tag über die einzigen Wanderer. Zudem haben wir auch hier eine tolle Aussicht.
Leider ist auch die Trail Ausschilderung nicht vergleichbar mit der vom PCT und wir verlaufen uns heute mehrmals. Zwischendurch funktioniert meine Navigation dann auch nicht mehr und ich bin froh auf diesem Umweg nicht alleine zu sein.
Auf dem PCT bin ich sowieso nie ganz alleine. Denn überall sind nette und hilfsbereite Menschen. Ich fühle mich absolut wohl und sicher, auch wenn ich einmal ein paar Tage ohne Begleitung unterwegs bin. Nur mein Rucksack macht mir heute ein wenig zu schaffen. Das Essen und das viele Wasser sind nicht gerade leicht und erschweren das vorankommen. Daher bin ich gerade auch einfach nur müde und freue mich auf mein „Bett“.
Tag 34:
Koan und ich werden diese Nacht von einem lauten Schrei/Brüllen aus dem Schlaf gerissen. Ich bin sofort hellwach. Was war das? Es hört sich an wie ein Puma und das erste Mal auf dem PCT habe ich wirklich Angst. Ich liege im Zelt und versuche mich zu beruhigen. Nach ein paar Minuten ist es wieder still. Doch ich kann nicht mehr schlafen und schrecke bei jedem Geräusch auf. Erst in den Morgenstunden gelingt es mir mithilfe meiner Oropax noch ein wenig Schlaf zu finden. Ich bin froh, als wir den Zeltplatz morgens verlassen und weiterwandern. Heute ist wunderschönes Wanderwetter und wir kommen gut vorwärts. Der Weg führt die meiste Zeit durch den Wald, was sehr angenehm für die Füße ist. Doch anscheinend bin ich hier auch schon im Bärengebiet, worauf mich ein Schild aufmerksam macht.
Daher bin ich besonders achtsam und singe die ganze Zeit vor mich hin, um mögliche Bären zu verscheuchen 😉 Das sieht bestimmt lustig aus, wie ich so alleine im Wald herumlaufe und alle möglichen Lieder singe. Hier ist zum Glück keiner der das sehen oder hören kann. Nachmittags überschreite ich dann auch den nächsten Meilenstein (640 km). Es ist immer wieder ein tolles Gefühl zu sehen wie viele Meilen/Kilometer ich schon geschafft habe.
Tag 35:
Als ich aufwache ist alles nass. Sogar mein Schlafsack ist ein wenig feucht geworden und ich werde ihn in der Pause trocknen müssen. Doch bevor es zu dieser kommt, wandere ich wieder einmal den Berg hinauf. Der Weg ist super schön und es geht die meiste Zeit durch den Wald. In der Mittagspause trockne ich die nass gewordenen Sachen auf einer Waldlichtung. Als dann zwei Wanderinnen dazu kommen und mit mir zusammen Pause machen freue ich mich umso mehr. Denn auf dem Trail treffe ich eher selten auf andere Frauen. Die beiden kommen aus Deutschland und Belgien und wir beschließen erstmal zusammen weiterzuwandern. Zu unserer Gruppe stößt dann noch ein weiterer Wanderer aus Deutschland und nun sind wir schon zu viert. Es ist doch schön ab und zu wieder in einer Gruppe wandern, auch wenn mir das alleine wandern mittlerweile ganz gut gefällt. Besonders abends auf dem Zeltplatz ist es viel lustiger mit mehreren Leuten.
Hier seht ihr Tine, Roland und Susie beim Essen. Gegen Abend hat es sich dann zugezogen und es regnet sogar ein wenig. Lustigerweise nur auf Susies Zelt, welches unter einem Baum steht :D. Heute habe ich sogar Partner für meine Yogagruppe und Susie, Tine und ich machen zusammen Yoga. Da es mir draußen zu kalt ist, mache ich das im Zelt und krieche danach schnell in den Schlafsack.
Tag 36:
In der Nacht regnet es und ich finde es sehr beruhigend dem Regen auf meinem Zelt zuzuhören. Da fühle ich mich direkt noch viel wohler im warmen Schlafsack und möchte diesen erst gar nicht verlassen. Es hilft nichts und ich muss raus in die Kälte. Ich laufe vor den anderen los, um die kühlen Temperaturen zu nutzen.
Doch ich muss alle paar Kilometer stoppen, um etwas zu essen. Mein Magen knurrt durchgängig und ich freue mich jetzt schon auf die nächste Stadt mit leckerem Essen. Ich treffe die anderen auf dem Trail wieder und wir wandern zusammen weiter. Am Wegesrand ist überall Poodle Dog Bush zu sehen. Das ist eine giftige Pflanze und bei einer Berührung bilden sich große Blasen. Also ist aufpassen angesagt.
Die giftigen Büsche rieche ich schon von weitem. Denn sie verbreiten einen starken Geruch von Marihuana. Das wird einige Wanderer hier sicherlich freuen… 😀 Das Rauchen von Gras ist auf dem PCT nämlich leider total normal und ich muss die Angebote der anderen Wanderer oft ausschlagen. An der nächsten Wasserstelle treffe ich dann viele bekannte Gesichter wieder. Unter anderem Mike, Jaqueline und Koan… Wir quatschen ein wenig, bevor es weitergeht. Der Weg ist heute echt angenehm und führt über tolle Bergkämme.
Die meiste Zeit geht es leicht bergab und der Weg schlängelt sich langsam am Berg entlang ins Tal. So schaffen wir auch heute wieder über 30 km und erreichen bereits morgen die nächste Stadt Aguadulce. Schon beim Wandern träumen wir von Pizza und kalten Getränken. Doch heute Abend gibt es erstmal nochmal Essen aus der Tüte. Wir sitzen zusammen, hören Musik und machen nach dem Essen wieder Yoga. Wir haben unsere eigene PCT Yoga Class gegründet. Jetzt bin ich sogar schon Yoga Lehrerin 😉 . Auf dem Bild seht ihr auch mal gut, wie dreckig ich bin…
Heute habe ich auch eine Nachricht von Teresa erhalten: Sie macht jetzt zusammen mit Chae und Patrick einen Roadtrip und hat aufgehört zu wandern. Das finde ich sehr schade 🙁 . Jetzt sind da nur noch ich und der PCT. Und natürlich noch die ganzen anderen Wanderer, die ich jeden Tag treffe
Tag 37:
Heute ist es soweit und es geht wieder einmal in die Stadt. Juhu 🙂 Wir wandern den Morgen über sehr zügig, um möglichst früh in Aguadulce anzukommen. Wir stoppen nur kurz auf einem Parkplatz und trocknen unsere Zelte ein wenig. So sind wir schon mittags da und gehen Burger essen.
Da ich danach immer noch nicht satt bin bekomme ich noch Pommes von Roland und Schokokuchen von Walker. Satt und zufrieden machen wir uns auf den Weg zu Hiker Heaven. Das ist eine Familie, bei der Wanderer im Garten zelten dürfen, die Möglichkeit haben zu duschen und ihre Wäsche waschen können. Ich glaube um die 40 bis 50 Wanderer sind hier und für alle gibt es genau eine Dusche. Ich habe mich sofort auf die Warteliste eingetragen und warte jetzt schon seit zwei Stunden auf meine langersehnte Dusche… Als es endlich so weit ist genieße ich es richtig und stelle mich auch direkt mal auf die Waage, die im Bad steht. Ich habe tatsächlich schon 4 kg abgenommen. Ich bin geschockt! Und das wo ich erst einen Monat hier bin. Um weiterem Gewichtsverlust vorzubeugen wird Pizza bestellt. Doch ich möchte einfach nur noch schlafen und verschwinde nach dem Essen schnell ins Zelt.
Tag 38:
Ich werde bereits um 6 Uhr vom krähenden Hahn geweckt. Das ist auch mal ein interessanter Wecker. Also raus aus den Federn und ab zum Frühstück. Es gibt Waffeln mit Obst und Sirup in einem Café in der Nähe. Hoffentlich habe ich die verlorenen Kilos bald wieder drauf, wenn ich so weiter esse.
Wir sind alle noch ein wenig müde und lassen den Tag sehr langsam angehen. Ich nutze die Zeit, um einfach mal nichts zu tun. Denn die anderen Pausentage musste immer irgendetwas organisiert, besorgt oder eingekauft werden. Erst nachmittags breche ich wieder auf. Bevor mich der Trail wieder zurück hat gehen wir noch gemeinsam etwas essen. Die Meile zum Restaurant werden wir netterweise von Jim mitgenommen.Gut gestärkt werden dann heute noch einige Kilometer und der nächste Berg bewältigt.
Tag 39:
Das Wandern ist heute sehr monoton. Schritt für Schritt geht es immer weiter. Manchmal ist es ein bisschen langweilig und ich beginne zur Ablenkung Hörbücher zu hören. Am heutigen Tag sind alle möglichen Geschichten von Jules Verne an der Reihe. Während dem Wandern bietet sich viel Zeit, um sich in ein Hörbuch zu vertiefen. Dabei habe ich jedoch immer nur einen Ohrstöpsel im Ohr, um Klapperschlangen oder andere Tiere nicht zu überhören. Ich fühle mich ein wenig erschöpft und mache viele Pausen und nutze diese, um immer wieder ein wenig zu schlafen. Der Weg führt heute quer durch grüne Hügelketten.
Es geht fast die ganze Zeit am Hang entlang und ich merke, dass meine Schuhe ihre beste Zeit hinter sich haben. Meine Knöchel und Knie beginnen zu schmerzen und die Vorfreude auf meine neuen Schuhe wird noch größer. Abends wandere ich dann einen Berg hinauf und es wird immer später. Ich möchte einfach nur noch etwas warmes zu essen und mich in meinen Schlafsack kuscheln. Doch weit und breit ist kein flacher Platz in Sicht, auf dem ich mein Zelt aufbauen kann. Irgendwann ist die Erschöpfung zu groß und ich baue mein Zelt am Wegesrand auf. Ich hoffe die Nachtwanderer und Tiere kommen so noch an mir vorbei.
Tag 40:
Ich habe fantastisch geschlafen. Vermutlich, weil ich gestern einfach so unglaublich müde war. Als ich das Zelt heute morgen verlasse sehe ich nur eine weiße Wand. Ich kann den Trail nur erahnen und während dem Wandern fängt es dann auch noch an zu regnen. Soviel also zum Thema „It never rains in southern California“…. Na ja immerhin wird mein Rucksack mal sauber. Immer das positive sehen 😉 Außerdem habe ich beim Regen nicht viel Lust lange Pausen zu machen und so schaffe ich heute viele Kilometer.
Der Himmel bleibt den ganzen Tag wolkenbedeckt und mittags beginnt es sogar zu hageln. Damit hätte ich jetzt echt nicht gerechnet. Doch der Trail hat ja immer eine neue Überraschung parat. Die Mittagspause verbringe ich unter einem Baum und versuche mir unter meinem Regenrock etwas warmes zu essen zu kochen. Das klappt auch gar nicht so schlecht und so gibt es Kartoffelpüree, der mich ein wenig aufwärmt.
Erst gegen Abend klart sich der Himmel wieder auf und gibt den Blick auf das Wüstental preis. Das ist doch mal ein schöner Tagesabschluss. Besonders, weil abends noch Caleb vorbeikommt und wir noch was quatschen.