Heute sind wir genau seit einer Woche auf dem Trail und langsam stellt sich eine Routine ein. Ich wache um 5.30 Uhr auf, futtere erst einmal ein paar Kekse im Schlafsack, ziehe mich an, packe meinen Rucksack und baue das Zelt ab. Besonders anziehen geht einfach viel schneller als Zuhause 😀 Ich habe ja nur drei Shirts dabei und je nach Temperatur wird halt das Passende angezogen. Anschließend wird meistens ca. eine Stunde gewandert und sobald die Sonne etwas stärker scheint gibt es Frühstück.
Am heutigen Tag fällt uns das Wandern wirklich leicht und das obwohl es steil bergauf geht. Der Weg ist wirklich nichts für Menschen mit Höhenangst, denn auf der einen Seite geht es sehr steil bergab. Ich bin heilfroh meine Stöcke dabei zu haben.
Der weitere Verlauf des Weges ist sehr angenehm und wir steigen immer weiter hinauf. Als dann auch noch “California” aus meinen Ohrstöpseln schallt kann ich es kaum glauben. Ich bin tatsächlich in Kalifornien, mitten in der Wüste und wandere auf dem Pacific Crest Trail. Ein tolles Gefühl 🙂 Mittags machen wir dann zusammen mit Bleech und Clubk Pause im Schatten. Das ist ein Vater, der zusammen mit seinem Sohn wandert und wir treffen sie fast jeden Tag. Einige Meter von unserem Pausenplatz entfernt finden wir das erste Trail Register und tragen uns sofort ein.
Nach diesem Highlight müssen wir vom Trail runter, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Doch auch das ist schnell erledigt und wir wandern immer weiter und sind super drauf. Wir ahnen ja auch noch nicht was uns noch erwartet… Nach 25 km werden wir langsam müde und halten nach einem Zeltplatz Ausschau. Nur da ist keiner. Also geht’s weiter und unsere Laune, wie auch unsere Kräfte nähern sich langsam aber sicher dem Nullpunkt an. Ein paar Kilometer später finden wir dann endlich einen Platz, wo wir die Zelte aufstellen können. Wir freuen uns riesig und lassen und uns erstmal einfach ins Gras fallen. Danach werden die Zelte aufgebaut, wir essen etwas und hören Musik. Und zwar Weihnachtslieder 😀 ja wir sitzen mitten in der Wüste und hören Rolf Zukowski, einfach weil uns so danach ist. Dabei wird natürlich laut mitgesungen und so findet dieser Tag doch noch ein schönes Ende.
Tag 12:
Erstmal möchte ich mich heute bedanken. Denn ich bekomme so viel Unterstützung von Familie, Freunden, ehemaligen Kollegen und vielen anderen lieben Menschen. An euch alle ein großes Dankeschön, ich freue mich immer sehr über eure Nachrichten und Kommentare. Die geben mir eine Menge Kraft 🙂
So jetzt zu unserem heutigen Tag. Die Nacht war erstmal ziemlich mies, weil meine Isomatte anscheinend ein Loch hat und langsam Luft entwichen ist. Und das gleich in der ersten Woche… na toll. Aber Trübsal blasen bringt auch nichts. Schließlich kommen wir heute in ein Dorf, wo ich versuchen kann sie zu flicken. Doch dafür müssen erstmal einige Kilometer zurückgelegt werden und so wird wieder einmal gewandert. Heute überschreiten wir die 100 Meilenmarke und haben somit schon 160 km zurückgelegt.
Mittags erreichen wir dann Eagle Rock, dass ist ein Fels der einfach mal aussieht wie ein Adler. So etwas habe ich noch nie gesehen und es ist echt cool. Nach einer kurzen Pause wandern wir weiter Richtung Warner Springs (dem nächsten kleinen Ort). Auf einmal ist es dann soweit und wir sehen unsere erste Klapperschlange. Sie liegt zusammengerollt unter einem Baum, direkt neben dem Trail. Wir gehen ganz vorsichtig vorbei und sie rührt sich nicht vom Fleck, Glück gehabt.
Die Landschaft durch die wir gehen erinnert mich ein wenig an die Dünen in Holland. Nur den leckeren Käse gibt es hier leider nicht und den vermisse ich mittlerweile wirklich sehr. So ein Schwarzbrot mit Käse wäre jetzt doch was tolles 😀
Später treffen wir noch vier amerikanische Frauen, die eine Tageswanderung machen. Wir unterhalten uns etwas mit ihnen und erzählen von unserer großen Wanderung. Sie finden unser Vorhaben super und schenken uns einfach 20 Dollar für ein Essen in Warner Springs. Ich bin sprachlos…
Von dem Geld gönnen wir uns eine große Pizza. In Warner Springs treffen wir auch wieder viele andere Wanderer und beschließen eine Nacht hier zu campen. Auch wenn die Duschen hier etwas bescheiden sind. Genauer gesagt gibt es einen Eimer mit Wasser, den wir uns über den Kopf schütten können. Auch mal eine neue Erfahrung.
Meine Isomatte haben wir leider nicht mehr geflickt bekommen, weil wir das Loch nicht gefunden haben. Ich werde mir morgen eine neue kaufen, doch jetzt wird erstmal noch eine Nacht auf der alten Matte geschlafen.
Tag 13:
Die zweite Nacht, in der ich auf dem Boden schlafe… Denn schon wieder verliert die Matte Luft und ich wache nachts mehrmals auf und muss sie aufpusten. Es hilft also alles nichts und heute kaufe ich mir eine neue Matte. Ich bin jetzt auf eine Evazote Matte von Thermarest umgestiegen, die muss nicht aufgeblasen werden. Ist zwar nicht so bequem wie meine alte Isomatte, aber sie kann zumindest keine Löcher bekommen. Meine kaputte, alte Matte schenke ich dem Biker Greg. Als Dankeschön backt er für uns Pancakes auf seinem Kocher. Das ist mal ein leckeres Frühstück.
Gut gestärkt gehen wir also zurück auf den Trail. Natürlich geraten wir genau in die Mittagssonne. So wandern wir also bei gefühlten 35 Grad den Berg hinauf. Da ist von der frischen Dusche schon nach kurzer Zeit nichts mehr zu spüren. Dafür habe ich beim Wandern umso mehr Zeit zum nachdenken und seitdem ich hier bin werde ich von Tag zu Tag ein wenig entspannter. All die kleinen Sorgen und Probleme aus dem Alltag werden so unwichtig und das Einzige was meinen Tag bestimmt ist: Laufen, Essen, Schlafen. Besonders das Laufen ist funktioniert heute super, denn es geht vorbei an wunderschönen Landschaften.
Ansonsten ist der Tag heute recht unspektakulär. Abends essen wir zusammen mit Bill und Traveller zu Abend und reden dabei über Gott und die Welt. Jetzt probiere ich die neue Matte aus und bin schon sehr gespannt… Doch vorher wird natürlich noch ein wenig das Zelt aufgeräumt und wir schauen uns den Sonnenuntergang an. So lässt es sich wirklich leben.
Tag 14:
Über den Wolken…
… ist leider auch nicht immer alles so schön, wie es manchmal scheint. Dieser Tag war stattdessen ziemlich hart. Wobei ich erstmal von vorne anfangen möchte: Morgens bin ich noch ein wenig müde, denn die neue Matte ist leider nicht ganz so bequem und gemütlich, wie meine alte.
Die Natur lässt meine Müdigkeit dann jedoch schnell verschwinden und es ist wieder einmal traumhaft schön. Die Wüste zeigt sich uns heute von ihrer grünen Seite. Daran ist gut erkennbar, was für ein regen- und schneereiches Jahr wir uns für unsere Wanderung ausgesucht haben. Denn normalerweise ist es hier deutlich trockener und die ganzen Pflanzen blühen nicht. Besonders gut gefallen mir die blauen Blumen, die am Wegesrand blühen.
Nach ca. zwei Stunden setzen bei Teresa wieder die Fußschmerzen ein. Die waren zwar auch die letzten Tage immer vorhanden, doch meistens kamen sie erst am Nachmittag, nach mehreren gelaufenen Kilometern zum Vorschein. Zudem sind die heute heftiger und ziehen sich bis in das Knie hoch. Deswegen verlassen wir gegen Mittag den Trail und machen einen Abstecher zu Mike´s Place. Das ist ein einzelnes Haus in der Nähe vom Trail, bei dem viele Wanderer eine Pause einlegen. So treffen wir dort auch schon viele andere und essen Pancakes. Danach überlegen wir was wir machen sollen. Mit den Schmerzen weiterlaufen ist keine wirkliche Option und so fragen wir den Besitzer des Hauses, ob er Teresa in die nächste Stadt fahren kann. Doch wie das Glück so spielt, ist dessen Auto gerade kaputt und es kann bis zu vier Tage dauern bis er sie fahren kann. Wir sind ratlos und möchten hier keine vier Tage bleiben ohne die Gewissheit dann auch hier weg zu kommen. Weiterlaufen kommt leider genauso wenig in Frage, weil ihr Fuß noch echt weh tut. Also sitzen wir rum und warten ab. Worauf wir warten ist uns auch nicht bewusst und ich mache mir große Sorgen, so viel also zum Thema Entspanntheit…
Zwischendurch kommen dann auch noch Bill und Traveller an. Auch sie sind sehr besorgt und kümmern sich um Teresa. Obwohl sie die Schmerzen hat ist sie wirklich sehr entspannt. Bill sagt zu mir, dass es das erste Mal ist wo er mich nicht lächeln sieht und es stimmt momentan ist mir überhaupt nicht nach Lächeln zumute.
Doch gegen Nachmittag soll sich das ändern, denn Teresa’s Schmerzen klingen ab und wir beschließen wieder auf den Trail zu gehen, um heute noch ein wenig zu wandern.
Dabei übernehme ich einen großen Teil aus Teresa’s Rucksack, denn wir wollen nicht riskieren das die Schmerzen schlimmer werden. Zusammen mit Traveler und Bill, die sich rührend um uns kümmern, starten wir also wieder und wandern den Berg hinauf. Das ist mit ca. 2-3 kg mehr echt anstrengend und als wir oben angekommen sind brauche ich eine Pause. Ich lasse die anderen vorlaufen und genieße den Ausblick.
Es tut sehr gut einen Moment für mich zu haben und mal durchzuatmen. Als ich aufstehen möchte ist mir ein bisschen schwindelig und mir wird bewusst, dass ich seit dem Frühstück fast gar nichts gegessen habe. Also schnell einen Schokoriegel futtern und den anderen hinterher den Berg runter. Als wir zum Camp kommen krieche ich so schnell wie möglich ins Zelt und möchte nur noch schlafen…
Tag 15:
Neuer Morgen, neues Glück. Und dieser Morgen beginnt wirklich super, denn Teresa’s Fußschmerzen sind vollkommen abgeklungen und kommen auch während dem Wandern nicht wieder. Das Tape hat wohl wirklich geholfen und wir sind beide sehr erleichtert, dass wir weiter wandern können. Heute morgen laufen wir erstmal für uns alleine, damit jeder ein wenig Zeit für sich selbst hat. Das ist auch mal ganz schön wenn man sich tagtäglich sieht. Während dem Laufen höre ich heute wieder Musik, um mich von der unglaublichen Hitze abzulenken. Diesmal läuft „I walk the line“ von Johnny Cash in Dauerschleife. Ich liebe dieses Lied 🙂 Dieser Tag ist nichts im Vergleich zu den anderen Tagen und jetzt wird uns bewusst, dass die Amerikaner Recht hatten und die letzten Tage noch sehr kühl waren.
Mittags treffen Teresa und ich uns wieder und laufen zusammen weiter. Das ist dann doch viel schöner und unterhaltsamer.
Da ich schon schlimmen Sonnenbrand habe und Teresa von ihrem Schirm ziemlich genervt ist, bekomme ich den Schirm für den Nachmittag und kann meine Haut so ein wenig vor der Sonne schützen. Dafür ein großes Dankeschön an meinen lieben Brownie.
Gegen Mittag machen wir wieder zwei Stunden Siesta im Schatten, weil es einfach viel zu heiß ist. Am Himmel ist keine einzige Wolke zu sehen und unsere Füße sind angeschwollen und dampfen. Doch natürlich geht es weiter und wir genießen die wunderschöne Natur.
Als wir im Schatten eine Pause einlegen hören wir auf einmal ein lautes Summen, was immer näher kommt. Wir schauen auf und ein riesiger Schwarm von Bienen zieht über uns hinweg. So viele Bienen habe ich noch nie gesehen wir wollen schnell aufbrechen, bevor die Bienen zurückkommen doch ich komme mit dem schweren Rucksack einfach nicht hoch. Ich fühle mich wie ein Käfer der auf dem Boden liegt und schaffe es erst mithilfe meiner Stöcke wieder auf zwei Beinen zu stehen 😀
Hier draußen sind wir also nie wirklich alleine. Wir sehen jeden Tag neue Tiere und heute begegnen uns mehrere Eidechsen und eine Schlange.
Abends erreichen wir den Zeltplatz und sind echt überrascht. Hier gibt es sogar eine Bücherbox, sowie Tische und Stühle. Traveller ist auch auch schon da und wenig später trifft auch Bill ein. Nach dem Abendessen mache ich dann noch ein wenig Yoga und wir lassen den Abend mit Gedichten von Rilke (aus dem Bücherschrank) ausklingen.
Tag 16:
Was für eine Nacht… Bill (alias Grandfather) konnte nicht schlafen und hat sich die ganze Nacht auf seiner Isomatte rumgewälzt. Damit hat er dann wiederum auch uns alle wachgehalten. Ahhhhh… ich brauche in Idyllwild auf jeden Fall ein Bett, in dem ich eine Nacht gut schlafen kann.
Beim Wandern freuen wir uns schon die ganze Zeit auf die Stadt und können nur daran denken, was wir alles essen möchten. Da ist alles dabei von Burger, über Eis bis hin zum Obstsalat. Doch dafür müssen wir noch einige Kilometer zurücklegen. In der Ferne sehen wir sogar schon unser nächstes Ziel. Der erste richtig hohe Berg erwartet uns schon mit einer Menge Schnee. Ich freue mich riesig darauf und kann es kaum erwarten endlich in den Schnee zu kommen.
Kurz bevor wir die Stadt erreichen treffen wir dann noch eine Wandererin. Wir kommen ins Gespräch und sie schenkt uns beiden ein Armband. Davon hat sie 2600 und für jede gelaufene Meile verschenkt sie eines an einen anderen Wanderer.
Darauf steht:
PCT 2017 Be Strong – Be Courageous – Be Fearless
You are never alone.
Das ist ein sehr schönes Geschenk und es ist immer wieder toll neue und so nette Menschen kennenzulernen.
Um in die Stadt zu gelangen müssen wir heute einen Umweg laufen, da ein Abschnitt des Trails aufgrund eines Feuers gesperrt ist. So wandern wir ein Stück die Autostraße entlang.
In der Stadt angekommen gibt’s dann erstmal Burger. Wir müssen nur leider eine Stunde warten, da es noch keine Zeit für Mittagessen ist. Und die Amis haben es echt nicht drauf vegetarische Burger zu machen. Genauso wenig wie Krautsalat, der ist in Deutschland einfach viel besser. Nach dem Essen wird dann wieder getrampt, um in die nächste Stadt (Idyllwild) zu kommen.
In Idylwilld angekommen gönnen wir uns erstmal ein Hotelzimmer, denn wir werden hier einen Tag Pause einlegen. Wir sind halt richtige Genusshiker. Nach dem Duschen fühle ich mich wie neu geboren.
Nachmittags gehen wir noch shoppen (Teresa braucht neue Schuhe, eine Hose und Socken) und einkaufen, dabei treffen wir viele Wanderer wieder. Nach dem Einkaufen trampen wir dann einfach zurück zum Hotel, um uns 10-15 Minuten Fußweg zu sparen. Und wir möchten nach Kanada laufen… Das kann ja was werden 😀
Tag 17:
Laut Statistik erreichen 40% der Wanderer Idyllwild erst gar nicht, sondern brechen ihre Wanderung vorher ab. Und wir sind immer noch dabei. Das ist doch schonmal was…
Wir beginnen den heutigen Tag ganz gemütlich mit einem leckeren Frühstück und genießen es einfach rumzuhängen und nichts zu tun. Ich telefoniere mit Freunden und Familie und bekomme ein wenig Heimweh.
Mittags gehen wir dann Microspikes kaufen, denn morgen geht’s in den Schnee. Endlich! Ich kanns kaum noch erwarten in die Berge zu kommen.
Danach wird weiter gefuttert. Ich glaube so viel habe ich noch nie gegessen… Es gibt Kartoffeln mit Sour Cream, Brownies, Brote, Cornflakes, Eis und sogar den lang ersehnten Obstsalat. Also eigentlich verbringe ich den ganzen Tag nur mit essen und Nachschub kaufen 😀
Unser Hotel ist aber auch super schön und wir fangen an Idyllwild immer mehr ins Herz zu schließen. Diese kleine Stadt, mitten in den Bergen, ist einfach so süß und sehr wanderfreundlich. Ich werde diese Stadt wohl wirklich ein wenig vermissen. Deswegen lassen wir es uns heute Abend auch nochmal richtig gut gehen und essen Ben and Jerry’s Eis, während wir im Bett liegen und Filme schauen.
Tag 18:
So viel Schnee…
Aber der kommt erst später, denn der Morgen beginnt erstmal schneefrei. Wir starten zusammen mit Mary und Peter, da es in einer größeren Gruppe einfach sicherer ist. Den ganzen Morgen wandern wir den Berg hoch. Vorbei an tollen Aussichtspunkten, immer höher, bis der Schnee kommt. Zunächst sind es nur kleine Schneefelder und am Morgen ist der Schnee auch noch sehr hart und somit gut passierbar.
Dann trennen sich unsere Wege. Denn Mary und ich möchten den Gipfel von Mount Jacinto besteigen, während Peter und Teresa der Schnee hier unten schon ausreicht. Also bleiben die beiden auf dem PCT und wir wählen die Gipfelroute. Wir kommen sehr gut voran und die Schneefelder werden mit der Zeit immer größer, bis dann schließlich alles unter einer einzigen Schneedecke bedeckt ist.
Selbst der Weg ist nicht mehr erkennbar und wir müssen viel mit unseren Handys navigieren. Da ist es auch schon passiert und wir haben uns kurz verlaufen. Glücklicherweise finden wir recht schnell zurück zum Trail und es geht weiter hinauf. Desto höher wir kommen desto dünner wird auch die Luft und das Wandern wird immer anstrengender. Das Laufen auf Schnee erfordert echt viel Konzentration, denn wir sinken oft bis zu den Knien im Schnee ein oder verlieren den Halt.
Wir sind beide also umso erleichterter als wir endlich, die auf 3302 Höhenmeter liegende Spitze des Berges, erreichen. Hier werden wir dann auch für die ganze Anstrengung belohnt und genießen einen beeindruckenden Ausblick.
Leider können wir nicht so lange bleiben, denn der Schnee beginnt unter der Sonne langsam zu schmelzen. Das macht den Abstieg direkt viel schwieriger, da der Schnee nun sehr rutschig ist und wir noch öfter einbrechen oder ausrutschen. Also eigentlich rutsche ich den halben Berg nur auf meinem Hintern runter :D.
Als wir auf eine schneebedeckte Lichtung kommen koste ich den Schnee nochmal richtig aus und mache einen Schneeengel. So viel Schnee habe ich das letzte Mal im Ski Urlaub gesehen. Und uns sind heute auch tatsächlich Ski Fahrer begegnet. Ein komischer Anblick, wo wir doch gerade aus der Wüste kommen und zum Wandern unterwegs sind.
Doch der Schnee ist sogar so hoch, dass schon die Wegweiser fast vollkommen eingeschneit sind.
Meine Füße sind nur noch klitschnass und die Flussüberquerung am Nachmittag macht das Ganze auch nicht viel besser. Doch es ist fast geschafft und als wir lachend den Berg runter wandern (wir können einfach nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben) höre ich auf einmal Teresa nach uns rufen. Ich bin unfassbar glücklich und laufe schon fast den Berg hinunter, um sie in den Arm zu nehmen. Jetzt wo ich im Zelt liege und das Ganze Revue passieren lasse bin ich wirklich stolz auf mich. Trotzdem brauche ich so etwas erstmal nicht so schnell wieder…
Tag 19:
Der heutige Tag beginnt sehr langsam. Denn ich bin noch müde von der gestrigen Gipfelbesteigung. Komischerweise habe ich nur in den Armen Muskelkater. Also liegen wir noch eine Stunde im Zelt und frühstücken, bevor es losgeht.
Unser Zeltplatz war mitten im Wald und ich habe wunderbar geschlafen.
Heute steht ein sehr langer Abstieg durch den Schnee an und dieser hat es echt in sich.
Der Weg führt steil am Berg entlang und wir müssen die ganze Zeit extrem aufpassen, um nicht abzurutschen. Dazu kommen auch noch zwei Flussüberquerungen und meine Füße sind wieder einmal durchnässt und eisig kalt. Deshalb laufen wir ganz schnell weiter und mit der Zeit wird mir wieder warm.
Wir wandern an einem Meer von Wolken vorbei und ich bin hin und weg. Das was wir hier zu sehen bekommen lässt sich gar nicht in Worte fassen, geschweige den auf Fotos festhalten. So was ist live einfach noch tausend Mal besser.
Ein paar Meter weiter treffen wir dann auch wieder auf Peter und Mary, die ein Stück weit entfernt gezeltet haben. Zusammen laufen wir den Berg hinunter.
Ich kann gar nicht genug bekommen von dem tollen Ausblick und mache viele Fotos. Desto weiter wir hinabsteigen desto windiger wird es. Es ist noch so weit bis unten und wir beschließen doch noch am Berg zu campen. Der restliche Abstieg erwartet uns dann morgen früh. Jetzt liege ich im Zelt, bin mal wieder am essen (es gibt Kekse ) und der Wind pfeift mir um die Ohren. Ich habe fast Angst, dass er mir das Zelt zerfetzt und ich hoffe in der Nacht beruhigt er sich ein wenig…
Tag 20:
Natürlich hat der Wind sich nicht beruhigt…
Vielmehr fängt es in der Nacht richtig an zu stürmen und ich kann nicht schlafen. Als es dann zu heftig wird, bauen wir die Außenzelte ab, um zumindest noch etwas Schlaf zu finden. Doch mein Innenzelt besteht nur aus einem dünnen Netz und so ist mein ganzes Zelt am Morgen voller Sand. Sogar mein Gesicht wurde nicht verschont und ist total dreckig. Da sind die Feuchttücher wieder einmal Gold wert.
Nachdem wir wieder einigermaßen sauber sind wandern wir weiter. Nach kurzer Zeit treffen wir auf eine Klapperschlange und diesmal verläuft die Begegnung nicht ganz so harmlos ab, wie die letzten Male. Denn sie liegt direkt neben dem Trail und zunächst sehe ich sie gar nicht. Doch als ich vorbeilaufe fängt sie auf einmal ganz laut an zu fauchen und zu zischen. Dabei richtet sie sich auch noch auf und sieht so aus als könne sie jeder Zeit angreifen. Ich bin zwar noch an ihr vorbeigekommen, doch Teresa steht noch auf der anderen Seite. Gerade ist es definitiv zu gefährlich an der Schlange vorbeizugehen und so warten wir ab. Ich auf der einen und Teresa auf der anderen Seite des Weges. Und wir haben Glück, es kommen noch andere Wanderer und nachdem sich die Schlange ein wenig beruhigt hat passieren sie zusammen schnell die Stelle.
Der darauf folgende Abstieg zieht sich wie Kaugummi… Wenn wir hoch schauen, sehen wir den Mount San Jacinto, auf dem ich gestern noch gestanden habe.
Jetzt sind wir schon 321 km gewandert und das in nur zwei Wochen und zwei Tagen. Wow… Die letzten Kilometer sind dann wieder einmal anstrengend und sehr windig. Als wir eine Brücke erreichen läuft uns plötzlich Frau entgegen. Sie heißt Paula und wartet zusammen mit ihrem Mann Wendell mit Essen und kühlen Getränken auf uns. Damit möchten die beiden den Wanderern eine Freude machen. Wir kommen ins Gespräch und erzählen ihr von Teresa’s geschwollenem Auge, was seit Tagen immer schlimmer geworden ist. Sie und ihr Mann sind sehr besorgt und bieten uns an uns zum nächsten Doktor zu fahren. Das nehmen wir dankbar an und so geht’s vom Trail runter. Der Arzt diagnostiziert eine Infektion und ordnet neben Medikamenten auch ein paar Tage Pause an. Und dann kommt’s: Paula und Wendell laden uns zu sich nach Hause ein. Wir dürfen in ihrer Casita schlafen und Teresa darf hier sogar bis zur Genesung bleiben. Die Castita ist fantastisch, es ist ihr Gästehaus und sieht einfach mal aus wie eine kleine Villa. Wir haben hier alles: angefangen von einem riesigen Fernseher, über eine Sofaecke, einem eigenen Bad, einer Küchenecke und das Beste kommt zum Schluss: einem gemütlichen Bett.
Für mich geht’s morgen schon wieder auf den Trail und Teresa und ich treffen uns in Big Bear wieder (wo sie von Wendell hingefahren wird).
Abends laden die beiden uns dann auch noch zum Essen ein und ich weiß gar nicht wie ich mich für all das hier bedanken soll. Paula erzählt uns beim Essen ihre Kennenlerngeschichte, die beiden sind ein so süßes Paar. Am Ende sagen sie dann noch: Wir gehören jetzt schon zur Familie und ich fühle mich hier so gut aufgehoben.